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## Archäologischer Überblick {#regions-archaeological-overview}
In der europäischen Bronzezeit sind etliche Bestattungstraditionen unterscheidbar, die zeitlich und räumlich verschiedene Entwicklungen durchlaufen. Dabei können zwei wesentliche Dimensionen abgegrenzt werden, entlang derer sich fast alle dokumentierten Grablegungen kategorisieren lassen: 1. Körperbestattungen im Gegensatz zu Brandbestattungen sowie 2. Flachgräber gegenüber überhügelten Gräbern. In diesem Spektrum gibt es unzählige Varianten hinsichtlich Grabanlage- und Vergesellschaftung (z.B. Nachnutzung neolithischer Megalithanlagen, Gräberfelder, etc.), des Grabbaus (Särge, Totenhäuser, Bootsgräber etc.) der Beigabenauswahl, der Platzierung des Leichnams oder des investierten Aufwands für Bestattungszeremonie und Architektur. Angesichts dieser Variablenvielfalt ist Generalisierung und die Reduktion des Gesamtzusammenhangs auf die Spannungsfelder Körper- vs. Brandbestattung und Flach- vs. Hügelgrab schwierig. Dennoch soll für die vorliegende Arbeit diese Perspektive eingenommen werden, da nur zu diesen primären Variablen Informationen im Radon-B Datensatz (siehe Kapitel \@ref(radonb-dataset)) enthalten sind.
Kurz zusammengefasst besagt das klassische Narrativ der Entwicklung bronzezeitlicher Bestattungssitten folgendes: In der frühen und mittleren Bronzezeit dominieren Körperbestattungen in verschiedenen Variationen. Brandgräber kommen in diesem Zeitfenster nur in der Ungarischen Tiefebene verstärkt vor. Hügelgräber konzentrieren sich auf Teile des Balkans sowie Ost-, West- und Nordeuropa, während in Zentral- und Südeuropa Flachgräber -- mehrheitlich Körperbestattungen -- überwiegen. In der mittleren Bronzezeit gewinnt Überhügelung in West- und Mitteleuropa an Bedeutung -- diese Zeitstufe wird daher auch als Hügelgräberbronzezeit bezeichnet. In der späten Bronzezeit wird Brandbestattung im Kontext der Urnenfelderkultur zum häufigsten Bestattungsbrauch^[@harding_european_2000, 75-76. in Orientierung an @hausler_bestattungssitten_1977; @hausler_grab-_1994; @hausler_totenorientierung_1996].
Diese Darstellung ist in mindestens einem bemerkenswerten Punkt fehlerhaft: Brandbestattungen waren nicht nur in Ungarn, sondern auch in Großbritannien, Irland und dem Benelux Raum (siehe Kapitel \@ref(great-britain-irland) und \@ref(benelux)) schon lange vor der Spätbronzezeit verbreitet -- wenn auch nicht unter dem Vorzeichen der Urnenfeldertradition. Die Ausbreitung des Urnenfelderphänomens war eine außergewöhnliche Entwicklung der europäischen Frühgeschichte und ging möglicherweise mit einem strukturierten, religiösen Dogma einher, dass sich rund um den Symbolgehalt von Kesselwagen, Sonnenbarken und Wasservögeln aufgebaut haben könnte^[@bilic_swan_2016; @kimmig_seevolkerbewegung_1964; @molloy_european_2018]. Die Vielzahl an Instanzen, in denen Brandbestattung scheinbar außerhalb eines solchen Kontexts, der unter großen Vorbehalten als religiöse Strömung gedeutet werden könnte, auftritt, ist ein Beispiel dafür, wie komplex archäologische Erklärungsmodelle ausfallen müssen, um die Verbreitung von Bestattungsritualen zu erklären. Religion und Synkretismen sind kein ausreichendes Paradigma für die europäische Bronzezeit.
Grundsätzlich gilt, dass Lokalgruppen in Belegungsperioden von meist einigen Jahrhunderten auf Bestattungsplätzen und Gräberfeldern jeweils einheitlich eine Bestattungsform praktizieren. Das zeigt sich besonders in der Urnenfelderzeit, wo eine Vielzahl großer und weitreichend untersuchter Gräberfelder in Zentraleuropa, im mediterranen Raum, in Frankreich und in Skandinavien abgesehen von verschwindend wenigen Ausnahmen exklusiv mit Kremationen belegt sind. Dazu gehören zum Beispiel die Gräberfelder Moravičany (Mähren) mit 1260 oder Vollmarshausen (Hessen) mit 252 erfassten Bestattungen. In der frühen und mittleren Bronzezeit ist jedoch birituelle Belegung noch erheblich häufiger: Auf dem tumuluszeitlichen Platz Dolný Peter (Slowakei) verhalten sich Brand- zu Körperbestattungen in einem Verhältnis 5:50, in Streda nad Bodrogom (Slowakei) beträgt das Verhältnis 34:24, wobei darüber hinaus neun Kenotaphe erfasst wurden. Auf einem der größten Gräberfelder der Mittelbronzezeit Zentraleuropas, in Pitten (Niederösterreich), dominieren Kremationen mit 147:74. Ebenso gibt es aber auch in der Frühbronzezeit Gräberfelder mit großer Einheitlichkeit wie Gemeinlebarn F (Niederösterreich) wo unter den 258 erfassten Bestattungen nur eine einzige mit einem Verbrennungsritual beigesetzt wurde und in der Spätbronzezeit Gräberfelder mit biritueller Belegung wie Przeczyce (Schlesien) mit einem Verhältnis von 132:727. Von besonderem archäologischen Interessen sind Kontexte, in denen verschiedene Rituale in unmittelbarer räumlicher und -- soweit erfassbar -- zeitlicher Nähe zueinander durchgeführt wurden. Besonders in Kontakt- und Übergangsbereichen von Kulturgruppen kam es immer wieder zu überraschenden Überschneidungen von Ritualen. In Periode III der Nordischen Bronzezeit wurde in Dänemark Leichenbrand in Sarg- und Kistengräbern beigesetzt, die zuvor für Körperbestattungen verwendet worden waren. In der Champagne finden sich Brandbestattungen in Grabgruben, die ausreichend Platz für einen unverbrannten Körper geboten hätten. Für ein aunjetitzerzeitliches Gräberfeld in Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) rekonstruieren die Ausgräber ein Ritual, das sekundäre Feuereinwirkung auf schon in Särgen deponierte Körperbestattungen eingeschlossen haben muss^[@harding_european_2000, 112-113.].
Es ist verbreitete archäologische Praxis, für die Veränderung von Bestattungssitten in den Metallzeiten Narrative ideologischen, sozialen oder ökonomischen Wandels zu formulieren^[@barrett_monumentality_1990; @fokkens_genesis_1997-1; @muller-scheesel_variabilitat_2009]. Diese haben sich zwar von oben genannter Konzentration auf einen unangemessen modernen Religionsbegriff emanzipiert, sind aber ebenso schwer falsifizierbar. Einen solchen theoretischen Anspruch hat das folgende Kapitel explizit nicht. Es enthält stattdessen eine rein deskriptive -- und freilich oberflächliche -- Zusammenfassung der diachronen Verbreitung von Bestattungspraktiken in Europa. Der Radon-B Datensatz gibt dabei Forschungsareal und Beobachtungsregionen vor (siehe Kapitel \@ref(data-prep-and-segmentation)). Eine ausführliche Literaturstudie für jede Region war im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Stattdessen wurden die Überblicksbeiträge in @fokkens_oxford_2013 in Hinblick auf Gräberarchäologie exzerpiert und nur in Einzelfällen um Informationen aus weiteren Quellen ergänzt^[Die Titelfußnoten enthalten jeweils einige Referenzen zu weiterführender Literatur.]. Im Vordergrund der Betrachtungen stehen Grabform (Brandgrab vs. Körpergrab) und Grabkonstruktion im jeweiligen kulturhistorischen Kontext. Weitere Aspekte wie Grabbeigaben, Körperhaltung, Geschlechtsdimorphismen oder sonstige, nicht unmittelbar bestattungsrelevante Monumentalarchitektur werden vor allem dann beachtet, wenn sie direkt mit diesen Primäraspekten zusammenhängen. Abbildung \@ref(fig:general-chronology) gibt einen chronologischen Überblick^[Die Abbildung basiert auf der Zusammenstellung in @roberts_old_2013. Dafür wurde auf folgende Quellenpublikationen zurückgegriffen: @arnoldussen_bronze_2008; @bourgeois_lage_2005; @burgess_bronze_1974; @burgess_age_1980; @brindley_dating_2007; @eogan_accomplished_1994; @gerloff_reineckes_2007; @gerloff_atlantic_2010; @de_laet_belgique_1982; @lanting_14c-chronologie_2001; @louwe_kooijmanns_prehistory_2005; @needham_chronology_1996; @needham_independent_1997; @needham_first_2010].
\begin{landscape}
```{r general-chronology, echo = FALSE, fig.scap = "Chronologiesysteme der Bronzezeit in Zentral-, Nord- und Nordwesteuropa", fig.cap = "Chronologiesysteme der Bronzezeit in Zentral-, Nord- und Nordwesteuropa. Bz = Bronzezeit, Br. = Age du bronze, Per. = Periode, BA = Bronze Age, MA = Metalwork Assemblage. Zusammengestellt nach \\textcite{roberts_old_2013}.", out.extra = "", out.width = "1.3\\textwidth", fig.align = "center", fig.pos = "!t"}
knitr::include_graphics("../neomod_analysis/figures_plots/chronology/bronze_age_europe_chronology.jpeg")
```
\end{landscape}
### Slowakei und Ungarn^[@furmanek_bronzezeit_1999; @kemenczei_spatbronzezeit_1984; @lochner_bestattungssitten_2013; @markova_slovakia_2013; @sorensen_landscapes_2008; @vicze_bestattungen_1992]
Die Slowakei ist vor allem durch die Gebirgsrücken von Ost- und Westkarpaten geprägt. Im Südosten und Südwesten davon öffnet sich das Land nach Ungarn zum Karpatenbecken mit Kleiner und Großer Ungarischer Tiefebene. Die ausgedehnte, flache Landschaft wird und wurde von den Flüssen Donau und Theiß sowie deren Nebenflüssen dominiert, die das Becken in Nord-Süd-Richtung durchziehen. Vor ihrer Begradigung im 19. Jahrhundert mäandrierten beide stark und ihr Verlauf änderte sich häufig und in kurzen Intervallen. Neben ihrer geomorphologisch prägenden Wirkung stellten sie wichtige Kommunikationswege und kulturelle Grenzen dar: Im Karpatenbecken begegneten West- und Mitteleuropa den Steppengebieten, dem Ostbalkan und dem östlichen Mittelmeergebiet. Für die bronzezeitliche Kulturgeographie ist es sinnvoll, Ungarn von West nach Ost in drei Areale zu untergliedern: Der Donauraum (Transdanubien), das Zwischenstromland zwischen Donau und Theiß und die östliche Theißregion. Aufgrund der großen Heterogenität und inneren Komplexität der Entwicklungen, wird der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen auf dem Westen Ungarns und der Slowakei liegen, also jenen Gebieten, die auch im Untersuchungsareal dieser Arbeit liegen. Die slowakische, bronzezeitliche Chronologie folgt einem modifizierten Schema nach Reinecke, in Ungarn dagegen ist eine an der Tellsiedlung Toszeg erarbeitete Chronologie verbreitet. Eine Aufteilung in Früh-, Mittel-, Spät- und Endbronzezeit ist jedoch in beiden Kontexten gebräuchlich und kann grenzüberschreitend zur Anwendung gebracht werden^[@markova_slovakia_2013, 813-814.].
Ungarn und die Slowakei waren zu Beginn der Frühbronzezeit (2500/2300 bis 1550/1450calBC) kulturell vielfältig und territorial fragmentiert. Im Laufe dieser Phase fand eine langsame Konsolidierung von Gruppen statt, die mit Bevölkerungswachstum, zunehmender Metallverarbeitung und steigender Siedlungsdichte und -kontinuität einherging. Etliche Siedlungen haben sich als bis heute in der Landschaft sichtbare Tellhügel erhalten. Westlich der Donau entstand am Beginn der Frühbronzezeit aus spätneolithischem Substrat der Makó-Kosihy-Čaka Komplex. In diesem Kontext waren isolierte Brandbestattungen mit oder ohne Urne üblich, später auch gelegentlich Körperbestattungen. Die Region wurde von verschiedenen Phänomenen in angrenzenden Räumen beeinflusst, besonders von der Somogyvár-Vinkovci Kultur aus dem Nord- und Nordwestbalkan. In Süd- und Nordwesttransdanubien waren Körperbestattungen aus dieser Tradition heraus wesentlich häufiger als Urnenbestattungen. Grabhügel und Flachgräber traten nebeneinander auf. Im Süden waren reiche Grabbeigaben üblich -- im Norden dagegen seltener. Von Westen kommend über Südmähren und die westlichen Ausläufer des Karpatenvorlands in der Slowakei bis ins Areal des heutigen Budapest trat eine lokale Variante -- die Csepel Gruppe -- der Glockenbecherkultur auf. Im Gegensatz zu anderen Glockenbecherkontexten waren Körperbestattungen hier zugunsten von Brandbestattungen eher selten. In der Südwestslowakei siedelten außerdem Vertreter einer Variante der frühen Schnurkeramik -- die Chłopice-Veselé Kultur. Das ist Ausdruck einer weiteren Verbindung nach Mähren und bis nach Kleinpolen. Flache Körpergräber waren die Regel in diesem Kontext. Mit dem Fortschreiten der Frühbronzezeit ab Bz A1 entstand in der Südwestslowakei aus Chłopice-Veselé Kultur, Glockenbecherkultur und Makó-Kosihy-Čaka Kultur die Nitra Kultur. Die übliche Bestattungsform in diesem Zusammenhang waren nun Ost-West-orientierte Körpergräber in Hockerlage. Grabaufbauten wie Totenhäuser geben Indizien über den soziale Rang der Bestatteten. Schon in der materiellen Kultur des Nitra Kontext finden sich starke Einflüsse aus dem Aunjetitzer Kulturraum und ab dem Ende von Bz A1 ist es angemessen, die Kulturerscheinungen in der Südwestslowakei als lokale Ausprägung der Aunjetitzer Kultur zu beschreiben, obgleich besonders hinsichtlich der Bestattungspraktiken Nitratraditionen fortbestanden. Soziale Unterschiede in Beigabenmenge und Grabkonstruktion manifestierten sich hier nicht so stark wie im Kernraum der Aunjetitzer Kultur. Auch drang die Aunjetitzer Kultur nicht weiter nach Süden nach Transdanubien vor. Am Übergang von Bz A2 zu Bz B1 entwickelte sie sich stattdessen lokal weiter zur Maďarovce Kultur, der östlichen Ausprägung des österreichischen und mährischen Maďarovce-Věteřov-Böheimkirchen Komplexes. Im Maďarovce Kreis wurden zunächst vor allem flache Körpergräber angelegt, später mehr Hügelbestattungen und Brandgräber. Am Übergang zur Mittelbronzezeit in Bz B1 löste sich das Kulturphänomen langsam auf. Der westliche Zugang zum Karpatenbecken war zeitweise durch die frühbronzezeitlichen Entwicklungen im Nordosten Österreichs geprägt, wo sich mit der Leithaprodersdorf Kultur und der Wieselburger Kultur gut abgrenzbare Einheiten ausbreiteten. Weiter südlich in Ungarn wurde die Makó-Kosihy-Čaka Kultur noch in Bz A von der Kisapostag Kultur abgelöst. Hier wurden Brandbestattungen in Urnen oder mit einer Verstreuung des Leichenbrands praktiziert. Körperbestattungen treten zwar auch auf, sind aber selten. Auf die Kisapostag Kultur folgte die Kultur Inkrustierter Keramik (Transdanubian Encrusted Pottery oder North Pannonian culture) mit Brandbestattungen in einfachen Gruben und mit Urnen. Körperbestattungen traten sporadisch auf. Westlich davon, zwischen Donau und Theiß, entstand am Beginn der Bronzezeit in Bz A0 un Bz A1 die Nagyrév Kultur. Die übliche Form der Bestattung waren auch in diesem Kontext Brandbestattungen, verstreut oder in Urnen. Körperbestattungen treten nur vereinzelt in der Anfangsphase auf. Vor dem Hintergrund von Nagyrév und Kisapostag Kultur entstand hier im weiteren Verlauf der Frühbronzezeit die Vatya Kultur -- mit einem sehr umfangreichen und fortgeschrittenen Metallinventar. Der Bestattungsritus dieser Gruppe war stark normiert und bestand aus strukturiert auf Gräberfeldern angeordneten Brandbestattungen mit stark differenzierender Beigabenausstattung^[@markova_slovakia_2013, 814-821.].
Die Mittelbronzezeit in der Slowakei und in Ungarn ist eine vergleichsweise kurze Phase von 1500/1450 bis 1200/1150calBC (Bz B1 bis Bz C). Zur Frage, ob der Beginn des Übergangs von Früh- zu Mittelbronzezeit aus Westen oder Osten angestoßen wurde, herrscht in der Fachdiskussion keine einheitliche Meinung. Als Resultat setzte sich jedoch im gesamten Raum die Grabhügelkultur durch. Ihre lokale Ausprägung -- im Westen Ungarns und der Slowakei die Mitteldonauländische Grabhügelkultur -- war sehr ähnlich zu jener in anderen Teilen Zentraleuropas. Grabhügel fanden in diesem Zeitraum weite Verbreitung; die bisherigen, lokalen Präferenzen für Körper- oder Brandbestattung wurden allerdings beibehalten und mit der Veränderung im Grabaufbau kombiniert. Die Bestattungen zeigen allgemein einen Geschlechtsdimorphismus und konnten auf Erdbodenniveau platziert und dann überhügelt, oder in eine Grabgrube unter dem Hügel eingebracht werden. Am Übergang zur Spätbronzezeit, in Bz D, wurde die Grabhügelkultur durch die Urnenfelderkultur -- konkret die Mitteldonauländische Urnenfelderkultur -- abgelöst. Östlich der Donau zeichnete sich die Grabhügelkultur durch größere räumliche und zeitliche Heterogenität aus. Im Norden, in der Slowakei, lässt sich die Entwicklung in der Mittelbronzezeit als Abfolge ausgehend von der Dolný Peter Phase, einem Übergangshorizont zwischen Maďarovce und Grabhügelkultur, und dann der Frühen, Klassischen und Späten Grabhügelkultur beschreiben. Südlich davon gelten die Tápé, die Egyek und die Hajdúbagos Gruppe als Vertreter der Grabhügelkultur im Karpatenbecken. Je nach Region wurde Körper- oder Brandbestattung praktiziert. Auch die Errichtung von Grabhügeln war nicht obligatorisch: Mehrfach treten Flachgräberfelder auf. Westlich der Theiß spielte der Einfluss der Grabhügelkultur eine untergeordnete Rolle^[@markova_slovakia_2013, 825-827.].
Die kulturhistorische Entwicklung der Spätbronzezeit in Slowakei und Ungarn lässt sich in drei Großregionen gliedern, die von den zur Beschreibung von Früh- und Mittelbronzezeit gewählten abweichen: Die Donauregion im Westen bleibt eine relevante Beobachtungsgröße, nun lassen sich jedoch die Areale östlich der Donau zusammenfassen. Stattdessen muss den Gebirgstälern im Norden der Slowakei mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden -- sie waren in der Spätbronzezeit dichter besiedelt und durchliefen eine eigenständige Entwicklung. Im gesamten nördlichen Karpatengebiet dominierte die Urnenfelderkultur, die der Region eine stärkere Zentralisierung, Weiterentwicklungen in der Bronzemetallurgie und eine Intensivierung des Fernhandels brachte -- und damit Entwicklungen der Mittelbronzezeit fortsetzte. Die übliche Bestattungssitte der Urnenfelderzeit war die namensgebende Beisetzung von Leichenbrand in Urnen auf oft ausgedehnten Gräberfeldern. Die einzelnen Gräber konnten als Flachgräber ausgeführt, leicht überhügelt, in bestehende Grabmonumente und Hügel eingebracht oder selbst monumental überhügelt werden. Generell wurde diese Bestattungsform sowohl für Männer als auch Frauen zur Anwendung gebracht. Die Verbrennung schloss das Einbringen von Grabbeigaben nicht aus. Tatsächlich sind aus Slowakei und Ungarn aus der Spätbronzezeit herausragende Hügelbestattungen von Männern und Frauen bekannt. Im Zeitraum Bz D bis Ha A1 traten in der Südwestslowakei zwei Varianten der Mitteldonauländischen Urnenfelderkultur auf: Die Velatice Kultur, die aus der Mitteldonauländischen Grabhügelkultur westlich der Donau hervorging, und die Čaka Kultur, die die Lokalformen der Grabhügelkultur des Karpatenbeckens östlich der Donau ablöste. Die Waag bildet die Grenze zwischen diesen Phänomenen. In Transdanubien können ebenfalls mehrere Subgruppen unterschieden werden: Eine nordwestliche Gruppe mit Parallelen in den Ostalpen, eine südliche und eine nordöstliche Gruppe. Die Velatice Kultur endet in Ha A2, lebt in Einflüssen in der Lausitzer Kultur weiter nördlich jedoch noch einige Zeit weiter. Jene hatte sich am Beginn der Spätbronzezeit bis in die Höhenlagen im Nordwesten der Slowakei ausgebreitet und bildete damit die südliche Grenze des Nördlichen Urnenfelderkreises. Ihr Subsistenzmodell war an die trockenen Gebirgsregionen angepasst und sie überdauerte hier in einzelnen Enklaven bis in die fortgeschrittene Eisenzeit. Die typische Bestattungsform in diesem Kontext waren flache Urnengräber. Nichtsdestoweniger wurden vereinzelt auch Hügelgräber angelegt, manchmal mit mehreren Bestattungen. Die Hügel durchliefen dabei eine architektonische Entwicklung von Steineinfassungen zu vollständiger Steinbedeckung. Östlich der Donau, im Nordosten Ungarns und damit außerhalb des Untersuchungsareals dieser Arbeit, traten im Kontext der Piliny Kultur ab Bz B1 die frühesten Urnenfelder Zentraleuropas auf^[@markova_slovakia_2013, 827-833.].
### Österreich und Tschechische Republik^[@hampl_mittelbronzezeitliche_1982; @hicke_hugel-_1987; @lauermann_studien_2003; @lippert_brandbestattungen_2013; @lubos_czech_2013; @neugebauer_bronzezeit_1994; @vera_saldova_burial_1990]
Österreich und Tschechien bilden zusammen eine naturräumlich vielseitiges Areal. Böhmen und Mähren sind von Gebirgsketten (Böhmerwald, Erzgebirge, Sudeten, Karpaten) umgeben und intern durch mehrere Hügel- und Niederrungsareale gegliedert. Die Flüsse Moldau, Elbe und Eger durchschneiden Böhmen in Nord-Süd bzw. Nordost-Nordwest Richtung, March, Etsch und Schwarzach Mähren in Nord-Süd Richtung. Für die bronzezeitliche Besiedlungsgeschichte ist die Verbreitung fruchtbarer Schwarzerdeböden von besonderer Relevanz. Österreich ist ein Alpenland und wird zu 70% von Gebirgsketten beherrscht. Abgesehen von einigen breiten Flusstälern ist besiedelbares Niederungsland vor allem im Nordosten zu finden. Durch dieses Areal fließt in West-Ost Richtung die Donau, die Österreich ins europäische Kommunikationsnetz der Bronzezeit einbindet^[@lubos_czech_2013, 787-789].
Die Bronzezeit in Österreich und Tschechien lässt sich in vier wesentliche Perioden gliedern: Früh-, Mittel-, Spät- und Jungbronzezeit. In der Frühbronzezeit entwickelte sich nördlich der Donau in Österreich unter Einfluss der ungarischen Nagyrév Kultur die Proto-Aunjetitz Kultur parallel zum Aunjetitz Kreis in Böhmen und Mähren. Im Aunjetitzer Areal folgten die Bestattungssitten einem relativ festen Regelwerk: Üblich waren Einzel- und Körpergräber. Einzelne Funde von Massengräbern im Siedlungskontext, die sich auch in der Tumulus- und der Urnenfelderkultur fortsetzten, dürfen nicht als reguläre Bestattungskontexte verstanden werden. In Nordböhmen, Mähren und den daran anschließenden Teilen von Österreich dominierten Flachgräber, während in Süd- und Westböhmen Hügelgräber häufiger auftraten. Die Flachgräber gingen den Grabhügeln zeitlich voran und zeichnen sich oft durch eine gemauerte Grabkiste oder einen Holzsarg aus. In mehreren Fällen konnte eine hölzerne Konstruktion über dem Flachgrab nachgewiesen werden. Die Hügelbestattungen sind meist in den Urhumus eingetieft und durch eine Steinpackung geschützt, die damit gleichermaßen den Kern der Hügelaufschüttung bildet. Im Aunjetitzer Kontext dominieren linke Hocker in Süd-Nord Orientierung ohne Geschlechtsdimorphismus. Obgleich eine Mehrzahl der Gräber wahrscheinlich zum Ende der Frühbronzezeit beraubt wurden, lässt sich ihr Beigabeninventar rekonstruieren: Neben Gewandelementen und -- in einigen wenigen Kontexten -- Waffen und Prestigegegenstände aus Bronze, Gold und Bernstein überwiegen Keramikgefäße. Dabei lässt sich eine diachrone Entwicklung von größeren zu sehr kleinen, teilweise miniaturisierten Beigabengefäßen beobachten^[@lubos_czech_2013, 789 & 794-796].
Zeitgleich mit der Aunjetitzer Kultur begegneten sich südlich der Donau in der österreichischen Frühbronzezeit mehrere Lokalgruppen. Die Leithaprodersdorf Gruppe, die noch in der Frühbronzezeit von der Wieselburg Kultur abgelöst wurde, fand sich östlich des Wienerwaldes. Im Kontext dieser aufeinander folgenden Gruppen waren flache Körperbestattungen üblich. Die Körperhaltung und Orientierung folgt einem klaren Geschlechtsdimorphismus und die Qualität und Quantität der Beigaben ist betont ungleich. Auch hier sind Steinkisten und Baumsärge ein wichtiger Teil der Grabkonstruktion. Südlich von Wien und westlich des Wienerwalds lässt sich die Unterwölbing Kultur verorten, in der regelhaft flache Körperbestattungen angelegt wurden. Die Gräber sind stark standardisiert, zeigen einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus und sind als mit gesetzten Steinkisten und Baumstammsärgen aufgebaut. Sie sind meist Teil siedlungsnaher Gräberfelder und vergleichsweise reich mit Keramik sowie Bronzewaffen und -schmuck ausgestattet. Schwere Halsringe sind charakteristisch für diesen Kulturzusammenhang. Im westlichen Teil Niederösterreichs bis nach Tirol befand sich die Straubing Kultur, deren eigentlicher Verbreitungsschwerpunkt in Bayern lag. Aus Österreich sind trotz ausgeprägter Besiedlung keine Bestattungsplätze der Straubing Kultur bekannt, in Bayern verhält es sich allerdings wie im Unterwölbinger Raum. Auch aus den Alpengebieten sind zu wenige Gräber erforscht, um eine zuverlässige Aussage über die vorherrschenden Bestattungsbräuche treffen zu können -- jedoch deutet sich für die inneren Alpen ein früher Wandel hin zu Brandbestattungen an^[@lubos_czech_2013, 789 & 796-797].
Am Ende der Frühbronzezeit entstand in Böhmen und Mähren unter starkem Einfluss aus Südosteuropa die Věteřov Kultur. In Österreich wurde die Unterwölbing Kultur durch die Böheimkirchen Gruppe abgelöst. Im Osten bestand die Wieselburger Kultur parallel zur neue geformten Drassburg Gruppe weiter. Im Salzkammergut konstituierte sich die Attersee Gruppe. Im Laufe der Mittelbronzezeit wurden die lokalen Phänomene im Süden Mährens, fast ganz Böhmen und in Ostösterreich durch die Mitteldonauländische Tumuluskultur homogenisiert. In dieser Konsequenz ist die geradezu universelle Bestattungsform in der Mittelbronzezeit Tschechien und Österreichs das Hügelgrab. Die Hügel sind einfache Erdhügel auf einem Steinkreisfundament. In den Hügeln wurden sowohl Körper- als auch Brandbestattungen untergebracht, oft mehrere pro Hügel, wobei erstere nach und nach als dominante Form von letzteren abgelöst wurden. Bei Körperbestattungen sind die Beigaben um den Körper verteilt. Keramik wurde entweder am Fuß- oder Kopfende der Grube platziert. Im Kontext der Brandbestattungen wurde die Ausstattung nicht mit verbrannt, sondern vor der Überhügelung auf dem Leichenbrand deponiert. Ein Geschlechtsdimorphismus zeigt sich mitunter nicht nur bei der Beigabenauswahl, sondern auch bei der Grabform: Im Fall der Grabhügelanlage von Pitten in Niederösterreich überwiegt Brandbestattung für weibliche Individuen während Männer überwiegend unverbrannt beigesetzt wurden. Im Westen Österreichs zeichnet sich das Tumulus Phänomen durch mehr Bezüge zu Süddeutschland aus. Im Salzburger Land wurden die Bestattungen als Rückenstrecker in Grabhügeln untergebracht. Brandbestattungen in einfachen, steinbedeckten oder leicht überhügelten Gruben enthalten die Überreste verbrannter Metall- und Keramikartefakte in Urnen aus Keramik oder organischem Material. Die wenigen Funde aus dem inneren Alpengebiet deuten auf beigabenlose Brandbestattungen hin^[@lubos_czech_2013, 790 & 797-798].
In der Spät- und Jungbronzezeit wurden Böhmen, Mähren und Österreich Teil des Urnenfelder Kulturkomplexes. Böhmen befand sich überwiegend im Einflussgebiet der Urnenfeldergruppen aus dem oberen Donauraum; Siedlungen der Lausitzer Kultur im Norden und Osten Böhmens lassen sich allerdings besser aus der Perspektive der nördlichen Urnenfeldergruppen verstehen. Im äußersten Westen bestand mit der Cheb Urnenfeldergruppe eine kulturelle Verbindung ins Areal des heutigen Deutschland. Ebenso lassen sich auch Österreich und Mähren in verschiedene kleinere Sphären gliedern, die als verschiedentlich beeinflusste Varianten des Urnenfelderphänomens beschrieben werden können. In all diesen Kontexten folgt die allgemeine Bestattungsform -- mitunter in Nutzungskontinuität der mittelbronzezeitlichen Bestattungsanlagen -- der stark vereinheitlichen Urnenfelderpraxis: Ausgedehnte Felder flacher Brandgräbern. In einer Mehrzahl der Fälle ist der Leichenbrand in einer Keramikurne eingelagert, wobei in einer Grabgrube durchaus mehrere Urnen oder sonstige beigefügte Gefäße deponiert sein können. Urnen können neben menschlichen Überresten auch verbrannte Tierknochen und Bronzeartefakte enthalten. Die persönliche Tracht und Schmuck wie Nadeln oder Armreife wurde in der Regel mit verbrannt, während Gebrauchsgegenstände wie Messer erst nach der Verbrennung beigefügt wurden. Trotz der insgesamt großen Homogenität der Urnenfelderkulturen hinsichtlich ihres Bestattungsbrauches zeigen die Subgruppen im Detail durchaus Abweichungen voneinander hinsichtlich der Anordnung von Urne und Beigaben im Grab sowie der Beigabenauswahl, die auf weiterreichende Unterschiede in Ideologie und Sozialstruktur schließen lassen. Zudem wurden in verschiedenen Regionen weiterhin vereinzelt Körpergräber angelegt oder Bestattungen in Grabhügel eingebracht. In der frühen und mittleren Urnenfelderzeit war die Beisetzung von Urnen und Beigaben in körpergroßen Steinkisten deutlich standardisiert. In der späten Urnenfelderzeit verloren Steinsetzungen an Bedeutung. Gleichzeitig nahm die Beigabenmenge ab -- insbesondere Waffen werden nicht mehr beigegeben. In den inneren Alpenregionen setzten sich Urnenfelder bis weit in die frühe Eisenzeit fort^[@lubos_czech_2013, 790 & 798].
### Polen^[@dabrowski_aeltere_2004; @czebreszuk_bronze_2013; @czebreszuk_northeast_2003; @machnik_fruhbronzezeit_1977; @muller_bruszczewo_2004]
Polen kann entlang seiner Nord-Süd Achse naturräumlich in drei Bereiche gegliedert werden: Ein 400 -- 500km breiter Streifen flachen, seen- und feuchtgebietreichen Landes an der Ostseeküste, südlich davon Hochland und das Heiligenkreuzgebirge, an der Südgrenze ein langer Gebirgszug, der sich von West nach Ost aus Erzgebirge, Sudeten und Karpaten zusammensetzt. Die größten Flüsse Polens sind Oder und Weichsel. Beide erstrecken sich über weite Teile Polens, entwässern in die Ostsee und stellten in der Vorgeschichte wichtige Verkehrswege dar.
Aus archäologisch-kulturhistorischer Perspektive hinsichtlich der Bronzezeit zwischen 2300/2200 -- 800calBC bietet sich eine andere Dreiteilung in West-, Nordost- und Südostpolen an: Eine westliche Zone (Woiwodschaften Pommern, Kajuwien-Pommern, Westpommern, Großpolen, Lebus, Niederschlesien, Lodsch, Oppeln, Schlesien) war nach Osten durch eine Grenzlinie zwischen Danziger Bucht im Norden und dem Durchbruch zwischen Sudeten und Karpaten, der Mährischen Pforte, im Süden definiert. Der Bereich östlich dieser Linie war wiederum zweigeteilt in einen nördlichen (Ermland-Masuren, Podlachien, Masowien) und einen südlichen (Lublin, Heiligkreuz, Kleinpolen, Karpatenvorland) Teil, getrennt am Ost-West orientierten Übergangsbereich von Niederungs- zu Hochland. Die westliche Zone spielte in der zentraleuropäischen Bronzezeit eine entscheidende Rolle, da sie mehrfach die Rolle der östlichen oder nordöstlichen Grenzregion von wichtigen Kulturphänomenen übernahm. Das betrifft etwa die Aunjetitzer Kultur, die Hügelgräber Kultur und, später, die Hallstattkultur. Die Hochland-Regionen von Südostpolen gehörten weitestgehend zum nördlichen Bezugsbereich der Kulturen des Karpatenbeckens. Nordostpolen wich in seiner Entwicklung deutlich vom Rest Polens ab. Eine Sonderrolle nahm nicht zuletzt wegen des Reichtums an Bernstein auch der Küstenstreifen zwischen Oder- und Weichselmündung ein. Diese Region war traditionell Teil eines Austauschnetzwerks, dass das Baltikum überspannte und bis in die Nordsee reichte^[@czebreszuk_bronze_2013, 767-770.].
Die früheste Phase der polnischen Bronzezeit dauerte von 2300/2200 bis 2000calBC. In West- und Südostpolen ist diese Proto-Bronzezeit mit der Glockenbecher Kultur verknüpft. Kuyavien und Pommern gehörten dabei zu einem Glockenbecher Kreis aus Südskandinavien und Nordostdeutschland, Niederschlesien war aus Böhmen inspiriert, Kleinpolen im Südosten des modernen Polens aus Mähren. Aus diesem Glockenbecher Substrat entstand in Westpolen ab 2300calBC die Aunjetitzer Kultur. Im Südosten Polens formte sich die Mierzanowice Kultur. Die zunächst enge Verbindung zwischen beiden Phänomenen löste sich um 2000calBC auf -- Weichsel und obere Oder wurden zur Kulturgrenze. Während die Aunjetitzer Kultur hinsichtlich ihrer materiellen Kultur ein klares Profil ausbildete, hochentwickelte Metallverarbeitung hervorbrachte und an herausragenden Grabhügeln erkennbare, soziale Differenzierung katalysierte, stagnierte und zerfaserte die Mierzanowice Kultur in Lokalgruppen. Nordostpolen blieb lange in einer spätneolithischen und wildbeuterischen Tradition verhaftet, obgleich Keramikfunde Verbindungen nach Westpolen nahelegen. Nach 2000calBC begann sich in Kuyawien und Großpolen mit der Trzciniec Kultur eine neue Größe herauszubilden, die große Teile Nordostpolens und -- um 1650/1600calBC -- auch Kleinpolens erfasste^[@czebreszuk_bronze_2013, 770-772.].
Die frühe Bronzezeit in Polen war von Körpergräbern in sehr großen Hügelgräbern auf Geländeerhebungen und Hügelgräberfeldern mit bis zu 60 einzelnen Hügeln dominiert. Flachgräber waren in dieser Zeit erheblich seltener. Erst am Übergang zur Lausitzer Kultur ab der Mittel- und Spätbronzezeit setzten diese sich durch. Im Südosten Polens, im Kontext der Mierzanowice Kultur, wurden die Toten in West-Ost Orientierung und nach Süden blickend angehockt auf die Seite gelegt. Frauen wurden mit dem Kopf nach Osten, Männer mit dem Kopf nach Westen bestattet. Im Südwesten drückte sich das Geschlecht nicht so offensichtlich in der Bestattungspraxis aus: Die Körper sind geschlechtsunabhängig Nord-Süd orientiert und angehockt, der Kopf nach Süden gerichtet, das Gesicht nach Osten. Im Nordwesten, und damit im Aunjetitzer Kulturkreis, scheint das Recht auf Bestattung einer sozialen Elite vorbehalten zu sein, die in großen Grabhügeln beigesetzt wurde. Aus diesem Kontext sind entsprechend erheblich weniger Bestattungen bekannt, es deutet sich aber an, dass die Leichname üblicherweise Ost-West orientiert, mit dem Kopf nach Westen und mit Blick nach Süden angeordnet wurden^[@dabrowski_aeltere_2004, 73 & 80-81.; @czebreszuk_bronze_2013, 775.].
Hügelgräber der Frühbronzezeit sind aus fast ganz Polen bekannt, sie fehlen nur in Nordostpolen (Masowien und Podlasien). Ihr Durchmesser beträgt heute 10 bis 26m, wobei dieser Wert angesichts Jahrhunderte währender Erosion und landwirtschaftlicher Landnutzung nach unten korrigiert werden muss: die Mehrzahl der erhaltenen Hügel ist heute meist nicht mehr als einen Meter hoch. Manche Hügel sind von einem breiten, mehrschichtigen Steinkranz eingefasst, der darauf hindeutet, dass sie ursprünglich von einer nunmehr zerstörten Steinschicht bedeckt waren. Die notwendige Erde wurde aus der unmittelbaren Umfassung der Aufschüttung entnommen, wodurch teilweise bis heute sichtbare Gräben rund um die Hügel eingetieft wurden. In der Hügelaufschüttung findet sich meist ein reiches Artefaktinventar sowie Holz- und Steinkonstruktionen. Drei Hauptbauarten lassen sich unterscheiden: Einfache Erdhügel mit ein bis zwei Körper- oder Brandbestattungen, die in den Urhumus eingegraben oder schlicht darauf ausgebreitet und anschließend überhügelt wurden, Erdhügel mit einer ausgeprägten Brandschicht, die auch verbrannte Knochen und Inventar enthält, sowie Hügelgräber mit Steinschutzkonstruktionen. Die Konstruktionen variieren deutlich zwischen gemauerten Grabkammern mit den Überresten mehrerer Körperbestattungen, Steinpflastern und Ringen am Boden der Hügel oder ovalen, kreisförmigen oder rechteckigen Steinabdeckungen, die ein oder mehrere Brand- oder Körpergräber im Hügelvolumen bedecken. In mehreren Grabkammern deutet eine chaotische Lage von Knochen und die Anhäufung von Schädeln auf Mehrfachbeisetzungen und ein komplexes Totenritual hin^[@dabrowski_aeltere_2004, 73-77.].
Flachgräber traten in der Frühbronzezeit ebenfalls in ganz Polen auf. In Zentral- und Nordostpolen (Masowien, Podlachien, Lodsch) waren sie jedoch die ausdrücklich vorherrschende Bestattungsform. Sie wurden überwiegend als Körper-, jedoch auch als Brandgräber ausgeführt. Die Körperbestattungen wurden teilweise in Särgen abgelegt oder in Leichentücher eingeschlagen. Auffallend sind Einzel- und Mehrfachbestattungen, die sowohl Körper- als auch Brandgräber oder sogar Mischformen mit teilweise angebrannten Skeletten enthalten. In Brandgräbern wurde der Leichenbrand entweder mit oder ohne Urne, gegebenenfalls in Särgen und sporadisch in anatomischer Lage deponiert. Die urnenlosen, flachen Brandgräber stimmen manchmal hinsichtlich Ausmaßen und Orientierung mit den Körpergräbern überein. In großen Brandgräbern wurden in mehreren Fällen dutzende Individuen untergebracht. Wie bei Hügelgräbern treten auch bei Flachgräbern Steinkonstruktionen in Form von Kisten und Pflastern auf, wobei gelegentlich der Eindruck entsteht, die Steinsetzungen seien bewusst im Sinne eines Musters oder Symbols ausgelegt worden^[@dabrowski_aeltere_2004, 77-80.].
Der Übergang zur Mittelbronzezeit war in Polen durch neue Einflüsse aus der Nordischen Bronzezeit ab 1700calBC im Nordwesten und der Hügelgräber Kultur nach 1600calBC im Südwesten und Südosten geprägt. Trotz der Unterschiede zwischen diesen Kontexten scheinen sie doch zu einer gemeinsamen Sphäre zu gehören. In beiden waren Hügelgräber -- oft Steinhügel -- und Metallhorte wichtige Kulturphänomene. Ostpolen war weiterhin von Vertretern der in sich heterogenen Trzciniec Kultur besiedelt. Manche Bestattungsplätze waren auch über die Transformation von Mittel- zu Spätbronzezeit hinweg kontinuierlich belegt -- in ältere Grabhügel wurden häufig Nachbestattungen eingebracht. Hügel- und Flachgräber weisen insgesamt weitreichende, strukturelle Ähnlichkeiten auf und konnten beide als Einzel- oder Kollektivgräber ausgeführt sein. In Fortsetzung der Traditionen aus Schnurkeramik und Mierzanowice Kultur wurde auch hier vor allem in Hügelgräbern bestattet, daneben bestand allerdings eine Vielfalt unterschiedlicher Phänomene, die die Heterogenität dieses Kulturraumes widerspiegeln^[@dabrowski_aeltere_2004, 73 & 80-81.; @czebreszuk_bronze_2013, 772 & 775.].
Die Spätbronzezeit in Polen war von der Lausitzer Kultur und deren Expansion dominiert. Die Lausitzer Kultur ist die nordöstliche Ausprägung der Urnenfelder Kultur, lässt sich nach 1400calBC in Schlesien und Großpolen erstmals archäologisch fassen und brachte eine langanhaltende Stabilisierung der Siedlungsaktivitäten in großen Teilen Polens mit sich. Sie dauerte bis 400calBC, ab 800calBC freilich stark von der Hallstattkultur beeinflusst. Kleinpolen geriet ab 1300calBC in den Einfluss der Lausitzer Kultur -- dabei scheint Migration von Siedlern aus Schlesien eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Nordostpolen beschritt erneut einen Sonderweg: Die Veränderung durch die Lausitzer Kultur ist hier schwer fassbar. Die übliche Bestattungsform in der Spätbronzezeit ist auch in Polen damit die Brandbestattung in Urnen auf großen Gräberfeldern. Im Einzugsgebiet des San in Südostpolen trat die Tarnobrzeg Gruppe auf, die unter Verarbeitung von Einflüssen aus Steppenraum und Karpatenbecken eine distinkte kulturelle Sphäre bildete^[@czebreszuk_bronze_2013, 772-773 & 775-776.].
### Deutschland
Die kulturhistorische Entwicklung Deutschlands in der Bronzezeit ist komplex und erlaubt die Unterscheidung etlicher Gruppen, Stile und Kulturkomplexe. Wesentlich für das Verständnis sind Deutschlands geographische Gliederung und intensive Interdependenzen mit angrenzenden Phänomenen, die sich als Ergebnis der Lage in Zentraleuropa mit allen Himmelsrichtungen ergeben. Geomorphologisch kann Deutschland von Süd nach Nord grob in folgende Regionen untergliedert werden: Die (Bayrischen) Alpen und zugehörige Vorgebirgszonen, die süddeutsche Schichtstufenlandschaft, die Mittelgebirge und schließlich das norddeutsche Flachland mit Küsten und Inseln in Nord- und Ostsee. Die großen Flusssysteme von Donau, Rhein, Weser, Elbe und Oder stellen wichtige Kommunikationskanäle dar, die sich im Verlauf der gesamten Vorgeschichte als Verbindungen und Grenzen in verschiedenen Austauschsystemen verhalten haben. Süddeutschland stand nach Osten in unmittelbarem Kontakt zu Regionen in den heutigen Grenzen von Böhmen, Mähren, Österreich und Ungarn. Nach Süden bestand Kontakt mit den Alpenregionen der heutigen Schweiz und Norditaliens, nach Osten mit dem heutigen Frankreich. Die Entwicklungen in Norddeutschland lassen sich am besten über seine Verbindungen zum Benelux Raum und der Nordischen Bronzezeit in Dänemark und Südschweden verstehen. Ostdeutschland bildete mit Polen eine Sphäre intensiver Interaktion. Das gebräuchliche chronologische System im Süden und bis in zu den Mittelgebirgen ist die für ganz Zentraleuropa relevante Phasengliederung nach Reinecke, während in Norddeutschland die Periodenunterteilung der Nordischen Bronzezeit nach Montelius zur Anwendung kommt. Eine übergeordnete Dreigliederung in früh, mittel und spät ergibt sich aus einer vereinfachten Betrachtung der Bestattungssitten: Frühbronzezeit meint einen Zeitraum vom Ende des 3. Jahrtausends bis 1600calBC in dem flache Hockergräber überwiegen, Mittelbronzezeit das Fenster 1600 -- 1300calBC mit Körperbestattungen in Grabhügeln und Spätbronzezeit die Urnenfelderzeit, den Zeitraum 1300 -- 800calBC^[@jockenhovel_germany_2013, 723-725.].
In der folgenden Zusammenstellung wird -- entsprechend der in dieser Arbeit vorgenommenen Regionengliederung (siehe Kapitel \@ref(data-prep-and-segmentation)) -- Deutschland zweigeteilt betrachtet. Als gedankliche Grenzlinie dient der Main. Süddeutschland meint damit vorrangig das Areal in den heutigen Grenzen von Bayern und Baden-Württemberg.
#### Süddeutschland^[@falkenstein_development_2012; @falkenstein_zum_2017; @jockenhovel_germany_2013; @kreutle_urnenfelderkultur_2007; @wiesner_grabbau_2009]
In der Frühbronzezeit existierten mehrere lokal begrenzte Kultureinheiten in Süddeutschland, die als Inseln in einer meist noch spätneolithischen Umgebung entstanden. Im Süden und Südosten von Bayern fand sich die Straubing Gruppe, deren Verbreitungsgebiet sich auch nach Österreich fortsetzte. Westlich grenzte sie an die Ries Gruppe an. Ausgehend vom Oberrhein fanden sich in Baden-Württemberg, jeweils nördlich aneinander anschließend, die Singen Gruppe, die Hochrhein-Oberrhein Gruppe, die Neckar Gruppe und schließlich die Adlerberg Gruppe am nördlichen Oberrhein und der Untermainebene. Die übliche Bestattungsform in diesen Kontexten waren Flachgräberfelder mit angehockten Körperbestattungen. Die Orientierung der Toten ist geschlechtsabhängig und folgte der Glockenbechertradition. Manche Gräber sind mit einem Holzsarg oder einer abdeckenden Steinpackung ausgebaut. Metallbeigaben sind selten und weitestgehend auf Kupferzierrat, Nadeln und Dolchklingen beschränkt. Knochen- und Muschelschmuck wurden dagegen oft beigegeben^[@jockenhovel_germany_2013, 726-727.].
Die Mittelbronzezeit war in Zentraleuropa eine Phase nachhaltiger Innovation. Schwerter und Speere kamen auf und verbreiteten sich schnell. Zweischneidige Rasierklingen, Pinzetten, Messer und Sicheln erweiterten das Metallwerkzeuginventar. Pferd und Wagen gewannen als Transportmittel wesentlich an Bedeutung. In der Mittelbronzezeit entstand und dominierte besonders in Süddeutschland, aber darüber hinaus in ganz Zentraleuropa, die Tumulus- oder Hügelgräberkultur. Der Übergangsprozess dahin lief regional unterschiedlich ab, letztendlich erfasste das Phänomen jedoch einen bemerkenswert großen Raum. Die rund-ovalen Hügel wurden aus Erde, Sand, Grassoden, Steinen oder einer Kombination dieser Materialen errichtet. Je nach lokaler Verfügbarkeit von Baumaterialien unterscheidet sich auch ihre Architektur. Die Hügel waren oft von einer Steinsetzung, einem Graben oder -- besonders in Westfalen und den Niederlanden -- Pfostensetzungen eingehegt. Sie kommen in der Regel nicht einzeln vor, sondern clustern in kleineren bis sehr großen Gruppen, die gemeinsam ein landschaftsprägendes Gräberfeld mit oft dutzenden Hügeln bilden. Jeder Hügel gehörte scheinbar einer kleinen Familiengruppe, wobei die Anlage ursprünglich meist über einer Zentralbestattung angelegt wurde. Spätere Bestattungen wurden in den vorhanden Hügel eingetieft und liegen deswegen meist höher als das Ursprungsgrab. Zwischen den Hügeln einer Gruppe wurden gelegentlich Flachgräber angelegt. Die Bestattungen wurden zunächst meist als Körpergräber ausgeführt, der Anteil von Brandgräbern nahm im Laufe der Mittelbronzezeit jedoch immer mehr zu. In der Regel wurde der Leichnam ausgestreckt in Nord-Süd oder Ost-West Orientierung deponiert und die Grabgrube mit Steinsetzungen oder Holzplanken ausgebaut. Die Grabbeigaben sind geschlechtsabhängig und scheinen die persönlich Ausstattung im Leben widerzuspiegeln: Männer wurden mit Waffen wie Schwert, Dolch, Axt oder Lanzenspitze sowie Schmuck in Form von Nadeln oder Armreifen versehen, Frauen mit einer reichen Auswahl von Trachtbestandteilen. Bernsteinperlen aus dem Baltikum erfreuten sich großer Beliebtheit in Süddeutschland: In Württemberg und Südbayern enthält der archäologische Befund einzelne Gräber und Horte mit tausenden Perlen. Die Zusammenstellung des Grabbeigabeninventars ist das wesentliche Merkmal nach dem Lokalgruppen der süddeutschen Mittelbronzezeit wie unter anderem die Alb Gruppe, die Hagenau Gruppe oder die Rhein-Main Gruppe definiert werden^[@jockenhovel_germany_2013, 727-730.].
Auch in Süddeutschland war die Brandbestattung die wesentliche Bestattungsform der Spätbronzezeit. Die Deponierung des Leichenbrands in einer Urne war ab 1100calBC (Ha A2) gängige Praxis. Die Urnen wurden zusammen mit anderen Keramikgefäßen -- manchmal Teile eines zusammengehörigen Services -- in einfache oder mit einer Steinkiste ausgebaute Grabgruben gelegt. Mit der Einführung der Brandbestattung ging die Aufgabe des Hügelbaus einher. Vereinzelt wurden jedoch noch weiter Körpergräber angelegt, die mit einer reichen Beigabenausstattung die Traditionen der Hügelgräberzeit fortführten. Obgleich die Spätbronzezeit in Süddeutschland mit größerer kultureller Standardisierung als die Mittelbronzezeit assoziiert werden kann, ist sie doch bei weitem kein völlig einheitliches oder homogenes Phänomen. Sie lässt sich ausgehend von Bz D bis Ha B2/3 in mindestens fünf Phasen gliedern und reicht bis in die Eisenzeit hinein. Zwar sind viele Metallwerkzeug- und Waffenkategorien weit verbreitet, Schmuck -- besonders Fibeln -- und Keramik zeigen jedoch starke regionale Variabilität. In Süddeutschland kann die südliche Bayrische Gruppe im Alpenvorland, die Fränkisch-Pfälzische Gruppe in Ostbayern und weiter westlich die Untermainisch-Schwäbische Gruppe unterschieden werden. Auch innerhalb des Urnenfelderbestattungsrituals gibt es Varianten, die sich vor allem durch die Beigabenmenge und Auswahl ausdrücken: Die Mehrzahl der Gräber enthält nur Keramik, manche daneben auch einige wenige Nadeln und Schmuckgegenstände, reichere Gräber dann Messer, Rasierklingen und einfache Waffen wie einen Bogen mit Pfeilen. Die herausragend reichen Bestattungen sind mit größeren Waffen wie Schwertern und Speerspitzen, sowie bronzenem Trinkgeschirr, Wagenteilen und hochwertigem Bronze- und Goldschmuck ausgestattet. In Südwestdeutschland sind sie häufig mit einer Nord-Süd orientierten Kammer aus Holz oder Stein ausgebaut. Diese Gräber gehören in der Regel zu erwachsenen Männern, denen seitens der archäologischen Forschungstradition eine Führungsposition in ihrer lokalen Gruppe zugesprochen wird. Manche sind als Körperbestattungen ausgeführt und enthalten außergewöhnliche Beigaben wie Zeremonialwägen, Rohmetall und Bronzegewichte. Frauengräber dieser Art sind selten, gelegentlich treten allerdings Gräber auf, in denen sowohl Überreste eines Mannes als auch einer Frau beigesetzt sind. Frauengräber sind mit Schmuck und Trachtbestandteilen ausgestattet und allgemein beigabenärmer als Männergräber. Geschlecht und Alter korrelieren grundsätzlich mit der Größe von Grab und Urne. Kindergräber sind üblicherweises mit einer feminin assoziierten Beigabenauswahl versehen^[@jockenhovel_germany_2013, 730-733.].
#### Norddeutschland^[@gorner_bestattungssitten_2002; @hofmann_rituelle_2008; @jockenhovel_germany_2013; @jockenhovel_von_2003; @schmidt_studien_1993]
Norddeutschland dient hier als Sammelbegriff in Abgrenzung zu Süddeutschland und umfasst eigentlich Nord-, Ost- und Westdeutschland. Diese Großregionen sind Teil unterschiedlicher Einflusssphären und durchlaufen in der Bronzezeit unterschiedliche kulturelle Entwicklungen. Norddeutschland (im Schwerpunkt Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern) wird stark aus Skandinavien, Ostdeutschland (im Schwerpunkt Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg) von Polen und Westdeutschland (im Schwerpunkt Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen) aus dem Süden und Westen beeinflusst. Norddeutschland lässt sich damit als Teil der Nordischen Bronzezeit beschreiben und Ostdeutschland ist Teil der beiden großen, aufeinander folgenden Kreise Aunjetitzer sowie Lausitzer Kultur. Mittel- und Westdeutschland gehören in vielerlei Hinsicht zur süddeutschen Sphäre und durchlaufen entsprechend eine dazu ähnliche Entwicklung.
**Norden** \newline
Aus dem Substrat der spätneolithischen Einzelgrabkultur entstand in Norddeutschland, Südskandinavien und im Westbaltikum zwischen 2200 und 1600calBC die Nordische Frühbronzezeit. In vielerlei Hinsicht setzte sie neolithische Traditionen fort -- offensichtlich beispielsweise an der weiten Verbreitung von hochwertigen Feuersteindolchen. Erste Metallgegenstände gelangten aus Zentral- und Westeuropa nach Norden, besonders aus dem unmittelbar angrenzenden Aunjetitzer Raum. Eine eigene Metallverarbeitung emanzipierte sich schnell und eindrucksvoll, wobei in Norddeutschland Einflüsse aus dem Süden bis in die Schweiz sichtbar bleiben^[@jockenhovel_germany_2013, 735.].
Zur Mittelbronzezeit, nach 1600calBC, etablierte sich in Norddeutschland die Sögel-Wohlde Kultur, deren Verbreitungsgebiet sich vom Osten der Niederlande über Westfalen bis nach Jütland erstreckte. Sie zeichnete sich durch Körpergräber in Grabhügeln aus. Im Gegensatz zur Situation in der zeitgleich südlich davon vorherrschenden Hügelgräberkultur wurden allerdings nur Männer mit diese Bestattungsform bedacht. Die Beigabenauswahl umfasst Kurzschwerter, Dolche, Randleistenbeile, Pfeilspitzen, Nadeln und gelegentlich kleine, goldene Spiralringe. Die Sögel-Wohlde Kultur ging nördlich der Elbe und im heutigen Schleswig-Holstein in Montelius Perioden II bis III (1450-1250calBC und 1250-1100calBC) in eine vielfältige und dynamische Kulturlandschaft über. In diesem Kontext wurden große Grabhügel mit Steinkistengräbern errichtet, die noch heute landschaftsprägend wirken. Wie in Zentraleuropa enthalten sie mehrere Gräber, wobei häufig ein Mann und eine Frau zusammen oder nacheinander in eine Grabkammer eingebracht wurden. Ein klassische Deutung versteht die Hügel jeweils als Familiengrabstätte eines einzelnen Hofes in einer weitestgehend egalitären Gesellschaft. Anhand typischer Waffenkombinationen lassen sich Lokalgruppen wie die Westholstein Gruppe (Schwert + Speerspitze), die Segeberg Gruppe (Schwert + Absatzbeil) und die Westmecklenburg Gruppe (Schwert + Absatzbeil + Dolch) unterscheiden. Unter den Grabhügeln fallen einzelne als sogenannte Trachthügel durch eine besonders reiche Ausstattung -- z.B. mit gegossenen Bronzegefäßen -- und gute Erhaltungssituation auf^[@jockenhovel_germany_2013, 735-736.].
Im Laufe von Montelius Periode III wurde die Körperbestattung in Norddeutschland langsam zugunsten der Brandbestattung aufgegeben -- ab Periode IV war letztere die absolute Regel. Zeitlich korrelierte der Übergang mit Importen von Bronzegefäßen und Kesselwägen aus dem böhmischen und mährischen Raum. Diese Artefakte sind verknüpft mit dem andersartigen und sicher religiös aufgeladenen Urnenfelder-Symbolinventar, was eine kausale Verbindung der Phänomene nahelegt und Hinweise auf den Ursprung des Urnenfelderphänomens gibt. Die norddeutschen Urnenfelder können wie ihre süddeutschen Pendants mehrere hundert Urnengräber umfassen, wurden oft um ältere Grabanlagen herum angelegt und bis in die frühe Eisenzeit genutzt. Das Beigabeninventar ist arm und reduziert auf Kleinwerkzeuge und Hygieneausstattung wie Rasiermesser, Pinzetten oder Nadeln. Größere Objekte wie Schwerter treten in einigen Fällen in Miniaturform auf. Oft wurden Bronzegegenstände in Horten -- Totenschätzen -- außerhalb der Gräber deponiert. Unter den Urnen fallen Sonderformen wie Haus- oder Gesichtsurnen auf^[@jockenhovel_germany_2013, 736-737.].
Die Nordische Spätbronzezeit, also nach üblichem Gebrauch Montelius Perioden IV bis VI, begann mit einer langen Phase der Konsolidierung. Sie wirkte nun stärker nach außen -- Artefakte der nordischen Bronzezeit wie Plattenfibeln oder einschneidige, mit Bootsymbolik verzierte Rasiermesser tauchen in Gräbern in Niedersachsen und Holland bis in die Niederrhein Region und Pommern auf. In Periode V wurden vereinzelt große und reich ausgestattete Brandgräber angelegt -- sogenannte *Königsgräber*. Auch in Periode VI wurde in Urnengräbern bestattet. Sie leitet über zur eisenzeitlichen Jastorf Kultur^[@jockenhovel_germany_2013, 737-738.].
**Osten** \newline
In Ost- und Mitteldeutschland, aber auch weit darüber hinaus in Schlesien, Großpolen, Böhmen, Mähren, der Südwestslowakei und dem nördliche Teil Niederösterreichs, siedelten in der Frühbronzezeit in einem Zeitfenster von 2300/2200 bis 1600/1500calBC Vertreter des Aunjetitzer Kulturkomplexes. Die Wurzeln der Aunjetitzer Kultur -- die Proto-Aunjetitzer Phase -- liegen im ausgehenden Spätneolithikum und greifen Elemente von Schnurkeramik und Glockenbecher Kultur auf. Der übliche Bestattungsmodus in der Aunjetitzer Kultur waren Flachgräber mit angehockten Körperbestattungen. Sowohl Männer als auch Frauen sind Nord-Süd orientiert und mit dem Gesicht nach Osten ausgerichtet. Mehrheitlich sind die Gräber einfache Gruben, gelegentlich wurden sie allerdings auch mit einer Steinkiste oder einem Baumstammsarg ausgebaut. Manchmal sind in einer Grabgrube mehrere Tote beigesetzt. Auffällig sind einige Fälle von Kinderbestattungen in großen Vorratsgefäßen. In der fortgeschrittenen Aunjetitzer Kultur, etwa ab dem Übergang zum 2. Jahrtausend, wurden einfache und kleine Kupfergegenstände zur häufigsten Beigabenkategorie. Die Beigabenmenge und -vielfalt ist insgesamt gering, sieht man von den wenigen, sehr reich ausgestatteten, großen und weithin sichtbaren Grabhügeln der Leubingen Gruppe am Dreiländereck Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab, die traditionell als *Fürstengräber* bezeichnet werden. Sie enthalten nur eine einzige, fast immer männliche Bestattung aber ein breites und hochqualitatives Beigabeninventar inklusive signifikanter Mengen Goldschmuck. Diese außergewöhnlichen Grabanlagen sind in der Aunjetitzer Kultur fast ohne Vergleich. Sie weisen auf eine ausgeprägte aber lokal begrenzte, soziale Differenzierung hin, die sich vielleicht durch eine Beherrschung von Handelswegen zwischen Donau und Baltikum, Salzgewinnung oder Kupfererzabbau im Harzvorland erklären lassen könnte. Vom Ende der Aunjetitzer Kultur am Beginn der Mittelbronzezeit sind fast keine Bestattungsbefunde bekannt^[@jockenhovel_germany_2013, 725-726.].
Ostdeutschland gehörte in der Mittelbronzezeit zum Verbreitungsgebiet der in ganz Ostmitteleuropa von Deutschland über Polen, Böhmen, Mähren und bis in die Slowakei dominanten Lausitzer Kultur. Sie entstand aus einem Substrat aus Aunjetitzer Kultur und verschiedenen Lokalgruppen, die bis ins 2. Jahrtausend an einer spätneolithischen Tradition festgehalten hatten. Die Lausitzer Kultur selbst ist kein homogenes Kulturphänomen -- in ihr lassen sich Keramikphasen (Prä-Lausitz Phase I: Bz B-C, Phase II Bz C-D, Phase III Bz D-Ha A1, Phase IV Ha A2-Ha C1) und deutlich distinkte, regionale Gruppen unterscheiden. Die Prä-Lausitz Gruppe in Ostdeutschland, Schlesien und Großpolen war zunächst stark von der frühen, zentraleuropäischen Urnenfelderkultur geprägt, löste sich davon aber zu Beginn der Spätbronzezeit. Das große Verbreitungsareal dieser Westlichen Lausitzer Gruppe reicht bis weit nach Mitteldeutschland hinein und umfasst die Flusssysteme von Oder, Elbe und Weichsel. Sie lässt sich in mehrere Subgruppen wie etwa die Saalemündungsgruppe, die Unstrut Gruppe oder die Elb-Havel Gruppe gliedern. Die übliche Bestattungsform der Lausitzer Kultur war die Brandbestattung in Urnen. Die Gräberfelder wurden über viele Generationen hinweg genutzt und fallen mit oft tausenden Begräbnissen sehr groß aus. Die Grabbeigaben bestehen fast ausschließlich aus Gefäßkeramik, davon jedoch große Mengen. Metallobjekte sind selten und auf kleine Gegenstände wie Nadeln, Schmuck und Gebrauchsgegenstände wie Messer und Rasierklingen beschränkt. Die Beigabenarmut erschwert Schlüsse auf soziale Unterschiede innerhalb der bestattenden Gesellschaft. Besonders in der Elbe-Saale Region kommen vereinzelt Waffengräber vor^[@jockenhovel_germany_2013, 734-735.].
**Westen** \newline
Der Raum südlich der Nordischen Bronzezeit, westlich der Aunjetitzer Kultur und nördlich der Rhein-Main-Linie lässt sich in der Frühbronzezeit keinem kohärenten Kulturphänomen zuordnen. Zwischen Niederrhein und Elbe traten verschiedene Varianten der spätneolithischen Riesenbecher Gruppe auf. Ihre Wickelschnurkeramik zeigt Parallelen zur Sögel-Wohlde Kultur der Nordischen Bronzezeit, andere Importe weisen auf Verbindungen nach Süddeutschland, in den Benelux-Raum und nach Großbritannien hin. Verbreitet war die Körperbestattung in Hügelgräbern nach Vorbild der Einzelgrabkultur^[@jockenhovel_germany_2013, 727.].
In der Mittelbronzezeit näherten sich Zentral- und Westdeutschland der süddeutschen Sphäre und damit der Hügelgräberkultur an. Lokalgruppen wie die Fulda-Werra Gruppe, die Thüringer Gruppe, die Oberpfälzische Gruppe und -- nördlich der Mittelgebirge -- die Lüneburger Gruppe gehören zum Kontakt- und Frauentauschnetzwerk der süddeutschen Mittelbronzezeit. Je weiter nördlich, desto stärker ist jedoch auch die Beziehung zu Periode II der Nordischen Bronzezeit. Weiter westlich, an Mittel- und Niederrhein sowie in Westfalen, zerfließen wie schon in der Frühbronzezeit die scharfen Kulturgrenzen. Starke Einflüsse aus den Niederlanden offenbaren sich in der Errichtung von Holzpfostenumfassungen um Grabhügel und der frühen Verbreitung von Brandgräbern^[@jockenhovel_germany_2013, 727-730.].
Auch in der Spätbronzezeit ist Mittel- und Westdeutschland zwischen verschiedenen Einflusssphären aufgeteilt. Westlich des Rheins siedelten Vertreter der Niedermainisch-Schwäbischen Gruppe und östlich des Ober- und Mittelrheins sowie im Moselgebiet und dem Saarland des Rhin-Suisse-France-Orientale (RSFO) Kulturkomplexes. Die Areale östlich davon gehörten bereits zur Peripherie der Lausitzer Kultur. Nördlich der Mittelgebirge, zwischen Niederrhein Saale und Elbe, zeigen Keramik und Bronzeartefakte weniger distinkte Unterschiede und erlauben so keine Gruppenuntergliederung. Ab 1000calBC geriet diese Region zunehmend unter den Einfluss der späten Nordischen Bronzezeit (Periode IV und V). Die lokale Spätbronzezeit dauerte bis 600calBC, dann wurde sie in das Verbreitungsgebiet der eisenzeitlichen Jastorf Kultur eingegliedert. Wie in den umgebenden Regionen ist auch in der mittel- und westdeutschen Spätbronzezeit Brandbestattung in Urnen üblich. Die Urnen wurden in alte Grabmonumente wie Hügel oder Langbetten eingebracht oder in leicht überhügelten Gruben deponiert. Im Gegensatz zur Entwicklung in Süddeutschland wurden diese Tradition bis in die Eisenzeit fortgesetzt^[@jockenhovel_germany_2013, 730-733.].
### Nordostfrankreich^[@bourgeois_lage_2005-1; @briard_groupe_1988; @gomez_bronze_1995; @mordant_bronze_2013; @mordant_les_2005]
Das bronzezeitliche Frankreich lässt sich in drei geographische und kulturelle Regionen gliedern: Die Atlantikküste, die starke Impulse von den Nordseeanrainern, Großbritannien und der Iberischen Halbinsel erfuhr, Südfrankreich, das besonders von den Entwicklungen im westmediterranen Raum beeinflusst wurde und (Nord)Ostfrankreich ausgehend vom Pariser Becken. Die Bronzezeit in Frankreich dauert von 2300calBC bis 800calBC, wobei eine Aufteilung in Frühbronzezeit (2300-1650calBC), Mittelbronzezeit (1650-1350calBC) und Spätbronzezeit (1350-800calBC) üblich ist^[@mordant_bronze_2013, 571.].
In Nordostfrankreich (in etwa die modernen, administrativen Regionen Ile-de-France, Hauts-de-France, Grand-Est und Bourgogne-Franche-Comté) begegneten sich in der Frühbronzezeit eine westliche Einflusssphäre aus der heutigen Normandie und Bretagne, ein weiter nordöstlich entlang der Nordsee gelegene Sphäre aus dem heutigen Benelux-Raum und die Rhone Kultur aus dem Süden. Im Nordwesten Frankreichs wurden große Grabhügel mit 40 -- 50m Durchmesser und bis zu 5-6m Höhe errichtet. Diese monumentalen Anlagen sind in der Regel nur mit einer einzigen, zentralen Bestattung in einer großen Grabkammer versehen -- meist Männer und nur in selten Fällen Frauen oder Kinder. Zusammen mit den außerordentlich reichen Beigaben (Äxte, Hellebarden, Gold, Silber, Bernstein, Fayence) sind sie Anzeiger für eine deutliche vertikale Gliederung der Gesellschaft mit herausragenden Führungspersonen. Auch in Nordostfrankreich gibt es frühbronzezeitliche Grabhügel, jedoch ist die Erhaltungssituation erheblich schlechter als im Nordwesten. In diesen Hügeln wurden neben Körper- auch Brandbestattungen deponiert. Die Urnen weisen Ähnlichkeiten zu Urnen aus Südengland und Flandern auf. Obgleich die Umfassungen der Hügel Durchmesser von bis zu 100m erreichen konnten, enthalten sie nur wenige oder keine Beigaben. Jenseits von Grabhügeln wurden in Nordostfrankreich zeitgleich auch Brandgräberfelder mit einfachen Urnenbestattungen belegt. Im südlichen Teil, im Einzugsbereich der Rhone Kultur, in Burgund und Franche-Comté, kommen kleinere Grabhügel mit 6 -- 8m Durchmesser und 1m Höhe vor. Daneben wurden neolithische Megalithanlagen sowie Höhlen weiter als Kollektivbestattungsplätze genutzt. Ebenfalls in Burgund treten Einzelgräberfelder mit Körperbestattungen in gestreckter und angehockter Lage auf. Insgesamt ist die Beigabenauswahl in diesen Kontexten limitiert aber deutlich geschlechtsspezifisch: Dolche, Äxte und Nadeln für Männer, Schmuck nur für Frauen^[@mordant_bronze_2013, 571-572 & 581.].
In der Mittelbronzezeit, im Kontext einer massiven Zunahme von Quantität und Qualität der Metallverarbeitung sowie Innovationen wie dem Absatzbeil und dem Schwert, formte sich in Nord- und Westfrankreich eine große, intensiv vernetzte Kulturregion, die auch Flandern und den Süden Großbritanniens einschloss. In Bretagne und Normandie war die Errichtung von herausragenden Individualgrabhügel in Fortsetzung einer Entwicklung, die schon seit der fortgeschrittenen Frühbronzezeit zur Verkleinerung der Hügel geführt hatte, weiter rückläufig und wurde schließlich eingestellt. Darüber hinaus sind die Bestattungspraktiken in diesem Raum weitestgehend ein Desiderat. Im Nordosten wurden die Brandbestattungsfelder weitergeführt, die schon in der Frühbronzezeit in diesem Raum aufgetreten waren. Sie enthalten wenige Beigaben, kein Metall und höchstens ein Keramikgefäß als Urne. Südlich davon, in Ostfrankreich, lässt sich eine starke Expansion der östlichen Grabhügel Kultur beobachten, die schließlich bis hinein ins Pariser Becken und ins Loire Tal wirkte. Die übliche Bestattungsform in diesem Kulturkreis war das Hügelgrab mit mehreren Beisetzungen. Dabei konnten sowohl Körper- als auch Brandbestattungen eingebracht werden -- letztere gewannen im Laufe der Mittelbronzezeit an Bedeutung. Die Gräber sind reich mit Beigaben versehen und zeigen eine klare Differenzierung nach Geschlecht: Männer wurden mit Dolchen, Äxten und Pfeilspitzen, Frauen mit Nadeln, Perlen und Armreifen ausgestattet. Das Ritual weist Bezüge zu den gleichzeitigen Praktiken in Süddeutschland auf^[@mordant_bronze_2013, 572-574 & 581-582.].
Am Übergang zur Spätbronzezeit konsolidierte sich die kulturelle Ost-West Spaltung Frankreichs. Entlang der Atlantikküste ausgehend von der Iberischen Halbinsel bis in den Beneluxraum hinein bestand der schon zuvor etablierte, atlantische Kulturkomplex fort. Auch in Ostfrankreich lassen sich die Entwicklungen vor dem Hintergrund der bereits in der Mittelbronzezeit nachvollziehbaren Prozessen verstehen. In einem großen Areal zwischen und jeweils jenseits von Rhein und Pariser Becken dominierte der Rhin-Suisse-France-Orientale (RSFO) Kulturkomplex. Wiederum war die Situation in Nordostfrankreich geprägt von zwei Einflusssphären. Neben traditionelleren Grabformen, wie etwa Körperbestattungen in Steinkisten, wurde in Ostfrankreich im RSFO Raum zunehmend Brandbestattung auf Urnenfeldern praktiziert. Auch im Nordosten war die Brandgrabsitte zunehmend präsent und wurden ab dem 12. Jahrhundert fast universell. Im westlichen Teil hielt sich die Tradition sehr einfacher Brandgräber und karger Beigaben, die schon in der Mittelbronzezeit Verbreitung gefunden hatte. Neben flachen Einzelgräbern wurden für gesellschaftlich herausragende Individuen -- meist Männer -- auch Grabhügel errichtet. Sie sind mit einer Vielzahl von Beigaben versehen, manchmal mit einem Schwert oder Wägeausrüstung. Hügelgräber gewannen in Ostfrankreich zum Ende der Bronzezeit im 9. Jahrhundert wieder an Bedeutung^[@mordant_bronze_2013, 574-575 & 582-583.].
### Südskandinavien^[@ambrosiani_bronzezeit_1986; @levy_heterarchy_1995; @thrane_scandinavia_2013; @victor_med_2002; @wrigglesworth_bronze_2007]
Südskandinavien meint Dänemark sowie die schwedischen Provinzen Scania und Blekinge. Im Vergleich zu nördlicheren Teilen Skandinaviens bieten sich hier naturgeografisch hinsichtlich Klima und Geomorphologie günstigere Bedingungen für Ackerbau, was die Region in der Bronzezeit in die Rolle eines kulturellen Zentrums für Skandinavien versetzt. Die Gliederung des Areals in viele einzelne Inseln und größere Landmassen ist eine besondere Vorbedingung für Subsistenz und Austausch. Das wichtigste chronologische Instrument der skandinavischen Bronzezeit ist die -- freilich weiterentwickelte -- Periodengliederung nach Oskar Montelius. Der Begriff Frühbronzezeit wird für die Perioden I bis III verwandt, die etwa das Zeitfenster von Reineckes Phasen A2 bis Ha A abdecken. Die Bronzezeit begann nach dieser Terminologie in Skandinavien also deutlich später als in Zentraleuropa -- etwa um ab 1800calBC. Spätbronzezeit umfasst die Perioden IV bis VI, die von Ha B1 bis C reichen. Im Vergleich zum restlichen Europa fällt die Nordische Bronzezeit vor allem durch ihre außergewöhnlich intensive und stilistisch einzigartige Metallverarbeitung, die Erhaltung vieler tausend Grabhügel und eine auffällige, weit verbreitete Form der Felskunst auf^[@thrane_scandinavia_2013, 746-750.].
Aus der Nordischen Bronzezeit -- besonders aus den Perioden II bis IV -- sind viele Gräber erhalten, die es erlauben die Entwicklung der Bestattungssitten gut nachzuzeichnen. Bestattungen in einigen Grabhügeln Zentraljütlands sind unter Feuchtbodenbedingungen erhalten und damit ein hervorragendes archäologisches Archiv. Körperbestattungen (meist) in Grabhügeln waren die Regel, bis in Periode II sporadisch einzelne Brandbestattungen -- ebenfalls meist in Hügel eingebracht -- hinzutraten. Ab Periode III wurde die Brandbestattung sehr viel häufiger, sieht man von der besonderen Situation auf Gotland ab. Der Übergang zur Bronzezeit in Südskandinavien vollzog sich in verschiedenen Lebensbereichen langsam. Neben dem Hausbau, wo weiter die schon im Neolithikum gebräuchlichen Langhäuser errichtet wurden, und der Flintproduktion, zeigt sich das auch in der Grabanlage, die an alte Tradition anknüpfte. In Dänemark und Südschweden wurden die zu bestattenden Leichname in der Frühbronzezeit in Baumsärgen -- meist ausgehöhlte Eichenstämme -- deponiert. Die Toten wurden gestreckt auf den Rücken gelegt und mit dem Kopf nach Westen orientiert. In Periode III änderte sich das hin zu einer Nord-Süd Orientierung. Oft wurde die Leichname innerhalb des Sarges auf eine Ochsenhaut oder eine Wolldecke gebettet. Über manchen Gräbern wurden Totenhäuser errichtet und manche Grabhügel bedecken ein Langhaus. In Periode IV vollzog sich eine Wende hin zu kleineren Grabgruben. Das ging mit der weiteren Zunahmen von Brandbestattungen einher. Große Beigaben wie Schwerter, die zuvor mit den Toten abgelegt worden waren, entfielen damit. Im Laufe der Perioden IV bis VI wurde der Leichenbrand der Brandbestattungen zunehmend in Urnen deponiert -- Steinkisten und einfache Erdgruben kommen jedoch weiter vor. Die Beigabenmenge nahm im Zuge dieser Entwicklung ab: Die meisten Brandbestattungen sind nicht mit Metallartefakten ausgestattet^[@thrane_scandinavia_2013, 754-756.].
Das herausragendste Merkmal der Bestattungskultur der Nordischen Bronzezeit sind ihre Grabhügel. Aus der Bronzezeit sind schätzungsweise 100.000 Erdhügel erhalten, die meisten in Südskandinavien und aus den Perioden II bis III. Viele sind durch landwirtschaftliche Aktivität gefährdet. In der Größe variieren sie zwischen 5 und 35m Durchmesser, sowie 0,5 und 6m Höhe, wobei sie im mit im Durchschnitt 25m Durchmesser und 2,5m Höhe insgesamt beachtlich ausfallen. Neben diesen Erdhügeln gibt es auch etwa 30.000 Steinhügel, vor allem in den Regionen nördlich von Südskandinavien. Die größten Exemplare in dieser Kategorie messen mehr als 70m im Durchmesser und sind mehr als 10m hoch. Sie gehören damit zu den größten vorgeschichtlichen Bauwerken Europas. In der südskandinavischen Frühbronzezeit wurden Gräber häufig mit einer kleinen Steinpackung überhügelt und auf diesem Steinhügel anschließend ein Erdhügel aus Grassoden aufgebaut. In Dänemark gibt es auch einige spätbronzezeitliche Steinhügel. Während die frühbronzezeitlichen Hügel häufig auf natürlichen Erhebungen und Geländerücken errichtet wurden, finden sich die späteren Hügel tendenziell eher in Niederungslagen. Abgesehen von einigen Sonderformen wie Langbetten, Hügeln mit einer zum Plateau abgeflachten Spitze und schiffsförmigen Steinsetzungen sind die Hügel äußerlich größenunabhängig sehr ähnlich. Die Anlage der Gräber und Steinsetzungen in ihrem Inneren unterscheidet sich jedoch deutlich von Hügel zu Hügel. Ein Hügel kann in ein oder mehreren Bauphasen errichtet und für spätere Bestattungen erweitert worden sein. Oft findet sich jedoch auch in sehr großen Hügeln nur eine einzige Bestattung. Neolithische Anlagen konnten in der Bronzezeit Weiternutzung oder Ausbau erfahren, während bronzezeitliche Hügel selbst oft bis weit in die Eisenzeit hinein als Grabanlagen genutzt wurden. Spätbronzezeitliche Urnen wurden häufig in bestehende Hügel eingebracht, sodass etliche Hügel Gräber aus zwei deutlich getrennten Phasen enthalten^[@thrane_scandinavia_2013, 752-754.].
Trotz der vielen erhaltenen Grabanlagen ist die Erforschung der bronzezeitlichen Bevölkerung auf Grundlage dieser Grabbefunde ein Desiderat. Die Erhaltungssituation der Knochen ist insgesamt schlecht. Zwischen Männern und Frauen sind keine systematischen Unterschiede beim Bestattungsbrauch erkennbaren, abgesehen von den etwas zahlreicheren Grabbeigaben in Männergräbern. Jedoch zeigt der Vergleich der Geschlechtsbestimmung von Brandgräbern aufgrund physisch-anthropologischer Kriterien gegenüber derjenigen aufgrund von Beigaben erstaunliche Abweichungen, die die diachrone Relevanz dieses Ergebnisses in Frage stellen. Die Beigabenmenge und -qualität scheint immerhin Aufschluss über die soziale Gliederung zu geben, da sich jenseits von einigen wenigen, absolut herausragenden "Fürstengräbern" auch regelmäßige Ausstattungsklassen andeuten: Gräber mit Goldbeigaben und Waffen lassen sich von einfacheren mit verzierten Messern, Rasiermessern und Pinzetten unterscheiden. Die Mehrzahl der Gräber enthält kein oder nur ein Metallobjekt. Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist in der Spätbronzezeit besonders akzentuiert. Kindergräber sind sehr selten -- erst in der Spätbronzezeit finden sich vereinzelt in Urnen neben den Überresten eines Erwachsenen auch die eines Kindes. Nicht alle Bestattungen sind überhügelt oder in Hügel eingebracht -- die Flachgräber verhalten sich aber hinsichtlich weiterer Merkmale grundsätzlich ebenso wie Hügelgräber. In der Spätbronzezeit wurden in Südskandinaviens auch Flachgräberfelder angelegt, je weiter südlich, desto größer^[@thrane_scandinavia_2013, 756-758.].
### Benelux^[@beek_circles_2014; @bourgeois_bronze_2008; @drenth_mounds_2005; @fokkens_bronze_2013; @fontijn_sacrificial_2002; @de_reu_land_2012; @lohof_grafritueel_1991; @lohof_tradition_1994] {#benelux}
Im Benelux-Areal, das hier neben den Niederlanden, Belgien und Luxemburg auch Teile Nordostfrankreichs, Frieslands und des Rheinlands einschließen soll, begegneten sich in der Bronzezeit drei Einflusssphären: Die Nordische, die Kontinentale und die Atlantische Bronzezeit. Die lokale, kulturelle Entwicklung ist in dieser Konsequenz kleinteilig und abwechslungsreich. Entscheidenden Einfluss darauf hatte die geographische Gliederung des Areals, wobei zwei wesentliche Dichotomien zu beachten sind: Der Gegensatz von Fluss- und Küstenniederungen gegenüber pleistozänem Hochland und die Trennung in Areale nördlich und südlich der Mündungsgebiete von Maas, Rhein und Ijssel. Im Spätneolithikum und der Bronzezeit gehörten die Areale nördlich und östlich dieser Flüsse dem Austauschnetzwerk der Nordischen Bronzezeit zu. Südlich und westlich der Flüsse überwiegt der Einfluss aus Nord- und Westfrankreich sowie Großbritannien. Das Kalksteinplateau in Südostbelgien einschließlich der Ardennen lässt sich der kontinentalen Sphäre zurechnen^[@fokkens_bronze_2013, 550-551.].
Für das Spätneolithikum bis 2500calBC lässt sich die Situation vereinfacht folgendermaßen darstellen: Die späte Vlardingen-Kultur besiedelte die nördlichen Niederlande und die Stein Gruppe die Maas-Niederung bis zur belgischen Grenze. In den pleistozänen Höhenlagen fand sich die Einzelgrabkultur, die die Trichterbecherkultur an dieser Position abgelöst hatte. Ab 2500calBC war das gesamte Areal bis in die Ardennen Teil des Glockenbecherkomplexes, wobei sich die vormaligen kulturellen und geographischen Einheiten auch hier in Subgruppen auszudrücken scheinen. Diese Regionalität löste sich nicht auf, sondern wurde am Ende der Frühbronzezeit im Kontext der späten Glockenbecherkultur in der Verteilung von Leitformen wie Wickelschnurkeramik und Riesenbecher erneut sichtbar. Ab 1850calBC, in der Mittelbronzezeit, bildeten sich im Nordosten, Westen und Süden der Niederlande neue Keramikstile heraus: Im Norden -- nördlich und östlich von Ijssel und Vechte -- Elp Keramik, südlich der Ijssel Hilversum Keramik sowie später Drakenstein Keramik mit starken Einflüssen aus Südengland und Nordwestfrankreich, im Westen Hoogkarspel Keramik. Ab 1200 war der Benelux-Raum Teil des Urnenfelder Phänomens. Nicht zuletzt dank der für Urnen genutzten Gefäße lassen sich aber wiederum innerhalb desselben deutlich Keramikstile unterscheiden: Im Nordosten die Ems Gruppe, im Süden der Niederlande Einflüsse aus dem Norddeutschen Raum und im Süden Belgiens eine starke Orientierung an der Rhin-Suisse-France-Oriental (RSFO) Tradition. Im Benelux Raum dauerte die Bestattung auf Urnenfeldern bis zum Ende der frühen Eisenzeit und damit länger als in anderen Regionen Europas an^[@fokkens_bronze_2013, 552-553.].
In großen Teilen des Benelux Gebiets wurden ab 2900calBC Grabhügel errichtet, wobei diese Tradition in einzelnen Regionen, wie etwa Nordbelgien, erst ab 2600 bzw. 2000calBC zur Regel wurde. Sie hielt dann bis 1400calBC an. Im Norden und Osten des Benelux Raums waren bis 1200calBC Körperbestattungen -- ab der Mittelbronzezeit in gestreckter Rückenlage -- die Regel. Ab 1200 überwog die Brandbestattung in Urnenfeldertradition. Südlich der Maas fand ein anderer Prozess statt: Brandbestattungen wurden hier bereits im Spätneolithikum im Glockenbecherkontext praktiziert. Schon in der Mittelbronzezeit, also mehrere Jahrhunderte vor der Entstehung des Urnenfelder Phänomens, wurde die Brandbestattung die vorherrschende Bestattungssitte. Im Westen der Niederlande vollzog sich wiederum eine abweichende, lokale Entwicklung: Nach 1600calBC wurden in Westfriesland keine Grabhügel mehr angelegt. Auch Urnenfelder kommen hier nicht vor. Da die Region besiedelt war und der Forschungsstand als gut gelten darf, muss davon ausgegangen werden, dass hier ein alternativer Bestattungsritus praktiziert wurde, der archäologisch nicht oder nur schwer erfassbar ist^[@fokkens_bronze_2013, 557-558.].
Verglichen mit den Hügeln der Nordischen Bronzezeit fielen die Grabhügel im Benelux Raum klein aus. Selten übersteigt ihr heutiger Durchmesser 15m und sie sind sämtlich weniger als 1,5m hoch. Um den Hügel herum wurden Begrenzungs- und Einhegeanlagen in Form von dicht oder locker gepackten Pfostensetzungen oder flachen Gräben errichtet. Diese Anlagen zeigen eine große Variabilität -- Regionalgruppen deuten sich jedoch nicht an. Die Parameter Beigabenqualität und -quantität, Hügelgröße und Komplexität der Einhegeanlage scheinen voneinander unabhängig zu sein. Grabhügel bildeten landschaftliche Bezugspunkte, in deren Nähe überproportional häufig neue Siedlungen angelegt, weitere Hügel errichtet oder in die weitere Gräber eingebracht wurden. Auch Urnenfelder wurden häufig um ältere Grabhügel herum platziert. Zwischen den einzelnen Bestattungsereignissen in einem Hügel konnten lange Zeiträume vergehen, was darauf hindeutet, dass nur Mitglieder einer sozialen Elite in Grabhügeln beigesetzt wurden. Die Beigabenarmut vieler Bestattungen, besonders südlich der Maas, stellt diese Deutung jedoch in Frage. Nördlich des Rhein und im Nordwesten der Niederlande trat in der Mittelbronzezeit eine standardisierte Form der Männerbestattung auf: Die Leichname wurden als Rückenstrecker deponiert und mit einem Rapier, einem Randleistenbeil und manchmal einer Speerspitze, Arm- oder Haarringen, Pinzetten, einer Rasierklinge und Pfeilspitzen ausgestattet. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Standardisierung der Beigaben ist die häufig vorgenommene Assoziation dieser Bestattungen mit dem Begriff "Fürstengrab" zweifelhaft^[@fokkens_bronze_2013, 558-561.].
In der Spätbronzezeit ab 1200calBC bis 800calBC wandelte sich die vormalige Praxis nur einen kleinen Teil der Verstorbenen archäologisch fassbar beizusetzen. Stattdessen wurden Urnenfelder mit einer großen Zahl von Bestattungen errichtet. Die Urnen wurden zunächst in große Langbetten eingebracht, nach 1000calBC dann in vereinheitliche, kleine Hügel mit einem flachen Umfassungsgraben und einer Rampe auf der Südostseite. Obgleich sehr große Urnenfelder existieren, ist die Mehrzahl überschaubar und deutet auf Gruppengrößen von nur drei oder vier Familien hin^[@fokkens_bronze_2013, 561-562.].
### Großbritannien und Irland^[@bradley_prehistory_2007; @bruck_bronze_2001; @bruck_death_2006; @burgess_age_1980; @eogan_construction_2004; @medina-pettersson_bronze_2014; @roberts_britain_2013; @rogers_afterlife_2013; @waddell_bronze_1990] {#great-britain-irland}
Die Bronzezeit in Großbritannien und Irland erstreckte sich über einen Zeitraum von 2500-800/600calBC. Das schließt jedoch auch das lokale Chalkolithikum ein, das -- je nach fachlichem Urteil -- bis 2150calBC reichte. Die Frühbronzezeit dauerte nach britischer Terminologie von 2150-1500calBC, die Mittelbronzezeit von 1500-1150calBC und die Spätbronzezeit schließlich von 1150calBC bis 800/600calBC. Die isolierte Insellage hebt die Region deutlich von den oben betrachteten Fällen ab und ist Grund für den Sonderweg, den die Entwicklung in Großbritannien und Irland im Vergleich zum Festland ging. Gleichermaßen bestanden aber auch vielfältige und tiefgreifende Verbindungen insbesondere im Kontext der Atlantischen Bronzezeit nach Nordwestfrankreich und ebenfalls entlang der in die Nordsee entwässernden Flüsse bis nach Zentraleuropa hinein. Sowohl Irland als auch Großbritannien sind durch ihre lange, abwechslungsreiche Küstenlinie geprägt. Großbritannien ist naturräumlich in landwirtschaftlich gut nutzbare Niederungslagen im Süden und Osten, in England, gegenüber unwirtlicheren Hochebenen im Westen und besonders im Norden, also in Wales und Schottland gegliedert. Doch auch in Wales und Schottland stechen einzelne Regionen durch hohes ackerbauliches Potential hervor. Irlands Küste ist vielerorts hoch und schroff. Sie umschließt nieder gelegenes Land, dessen Potential für Landwirtschaft ebenfalls im Süden und Osten am höchsten ist^[@roberts_britain_2013, 531-533.].
Im Gegensatz zu Frankreich, wo Kupfermetallurgie schon im 4. Jahrtausend bekannt war, traten die frühesten Kupferartefakte in Großbritannien und Irland erst ein Jahrtausend später um 2500/2400calBC auf. Sie waren Teil eines Innovationspakets aus Zentraleuropa, das neben Glockenbecherkeramik, steinernen Armschutzplatten, gestielten und mit Widerhaken versehenen Pfeilspitzen auch Kupferdolche und goldene Körbchenanhänger umfasste. In Großbritannien bildete sich dieses Ereignis in einer neuen lokalen Glockenbecher Tradition ab, die sich durch Einzelkörperbestattungen auszeichnete. In Irland führte der Glockenbechereinfluss nicht zu einer so tiefgreifenden Veränderung der Bestattungssitte, allerdings wurde auch hier Glockenbecherkeramik Teil von Handlungen im Kontext des Totenrituals: Sie wurde an älteren Grabanlagen deponiert und in neue Brandgräber in Grabhügeln eingebracht. Sowohl in Großbritannien als auch in Irland war die bronzezeitliche Landschaft geprägt von intentional positionierten und aufeinander ausgerichteten Monumentalanlagen. Das schließt die neuen Grabhügel für Glockenbecherbestattungen in Großbritannien und Keilgräber in Irland ebenso ein wie eine Vielzahl unterschiedlicher, nicht funktionaler Erd-, Holz- oder Steinanlagen sowie neolithische Henges und Megalithanlagen. Wie in Skandinavien entstand in Großbritannien Felskunst, die ebenfalls der komplexen Rituallandschaft zugerechnet werden muss. Die Grabhügel und Monumentalanlagen in Süd- und Nordostengland, Zentralschottland sowie Ostirland und dem Orkney Archipel sind vergleichsweise größer als in anderen Regionen, strukturell aber ähnlich^[@roberts_britain_2013, 533-535.].
Im ausgehenden 3. und beginnenden 2. Jahrtausend überwogen in Südengland Körperbestattungen in Grabhügelgruppen nach dem Modell der Wessex Kultur. Die Gräber sind teilweise reich und mit exotischen Beigaben ausgestattet. Außerhalb von Südengland herrschte eine große regionale Variabilität von Bestattungssitten in Großbritannien und Irland: In Nordengland hatten Bestattungen in Höhlen einige Bedeutung, in Ostengland Moorbestattungen. In großen Teilen Westschottlands und Irlands wurden Flachgräberfelder angelegt. Die Gräber sind einfache Gruben oder mit einer Steinkiste ausgebaut. In Irland wurden ältere Keilgräber wiederbelegt und herausragend große Grabhügel neu errichtet. Auch hinsichtlich der Beigaben gab es klare regionale Vorlieben für einzelne Artefaktkategorien: Gagatcolliers in weiblichen Bestattungen im Norden Großbritanniens, Bernsteincolliers im Süden, sowie lokal Bronze- oder Feuersteindolchformen. In den verschiedenen Kontexten wurde häufig sowohl Brand- als auch Körperbestattung praktiziert, wobei die Verbrennung der Verstorbenen ab dem Beginn des 2. Jahrtausends allgemein zu überwiegen scheint. Grabanlagen wurden häufig über lange Zeiträume genutzt oder deutlich nach deren ursprünglicher Anlage wieder neu belegt. Auch Ritualanlagen wie Holz-, Stein- und Menhirkreise sowie Ring Cairns sind regelmäßig mit Bestattungen assoziiert^[@roberts_britain_2013, 535-536.].
Mitte des 2. Jahrtausends vollzogen sich sowohl in Großbritannien als auch in Irland, ganz besonders jedoch im Süden und Osten Englands, eine Reihe von Veränderungen. Die archäologische Quellenlage verschiebt sich in diesem Zeitfenster zuungunsten von Grab- und Monumentalanlagen. Stattdessen nimmt die Informationsdichte hinsichtlich Siedlungen und Subsistenz zu. Jetzt häufiger befestigte Siedlungen mit kreisförmigem Aufriss, Rundhäuser und regelmäßige, rechtwinklige Ackersysteme mit begrenzenden Gräben und Zäunen begannen die Kulturlandschaft zu dominieren. Wilde Pflanzen und Tiere verloren an Bedeutung in der Subsistenz, stattdessen ist mit der Einführung von Brunnen sowie neuen Getreiden und Hülsenfrüchten eine Intensivierung der Landwirtschaft zu beobachten. Stein, Flint und andere organische und anorganische Werkstoffe wurden als wichtigste Träger der materiellen Kultur von Gold und Bronze verdrängt. Letztere sind archäologisch allerdings auch deswegen viel sichtbarer, da sich eine ausgeprägte Deponierungstradition etablierte. Diese bildet sich jedoch nicht im stark fragmentierten und regional heterogenen Bestattungsbefund ab. Ab der Mitte des 2. bis zum Anfang des 1. Jahrtausends war die Brandbestattung die am weitesten verbreitete Bestattungsform. In vielen Regionen Englands wurden siedlungsnahe Flachgräberfelder angelegt. Die Beigabenauswahl war fast vollständig auf Gefäßkeramik beschränkt. In Irland wurden Urnengräber angelegt, parallel allerdings auch weiter bis ins erste Jahrtausend Grabhügel errichtet. Die älteren Tradition wurden langsam durch eine sehr flexible Praxis ersetzt, nach der der Leichenbrand zusammen mit unverzierten, groben Keramikgefäßen in Flachgräberfeldern, Grabhügeln, Gräben und sogar Siedlungen beigesetzt wurde. Neben den eigentlichen Brandbestattungen kommen auch Pseudogräber verhältnismäßig häufig vor. Sie wurden unter anderem auf Gräberfeldern deponiert und enthalten große Mengen verbranntes Getreide. In Schottland wurden die Brandbestattungen meist in ältere Monumente eingebracht. Das frühe erste Jahrtausend ist vielerorts ein Desiderat: Scheinbar wurde ein archäologisch nicht fassbares Bestattungsritual praktiziert. Die menschlichen Überreste beschränken sich auf kleine Mengen verbrannter Knochen, die in Siedlungen, Gräben oder auf Äckern sporadisch auftreten^[@roberts_britain_2013, 537-542.].
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